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Der kleine Wassertropfen

Es war einmal ein kleiner Wassertropfen, der seine ganzen Erinnerungen verloren hatte. Er wusste nicht mehr woher er gekommen war, noch wohin er gehen wollte. Er hatte letztlich keine Ahnung wer er war. So sehr er auch nachdachte, es fiel ihm einfach nicht mehr ein und so beschloss er weiterzugehen, ohne dass er wusste wohin er wollte. Auf seinem Weg begegnete er einem anderen Wassertropfen, der noch kleiner war als er selbst. „Kannst du mir sagen wer ich bin? Ich habe es vergessen und fühle mich seither so verloren und bin tieftraurig über mich und mein Leben.“ Der andere Wassertropfen war aber so mit sich selbst beschäftigt, dass er einfach an ihm vorbei ging, ohne ihn auch nur annähernd wahrzunehmen. Noch betrübter und voller Selbstzweifel ging der kleine Wassertropfen weiter. Wieder begegnete er einem Wassertropfen, der diesmal etwas größer war als er selbst. Noch einmal überwand er seine Zweifel und fragte diesen Tropfen direkt: „Wer bin ich?“ Der leicht größere Tropfen blieb stehen. Und sein Herz wurde angerührt von der verzweifelt klingenden Stimme. Er ging ohne zu zögern auf den kleinen Wassertropfen zu um ihm zu begegnen. Und wie das bei Wassertropfen so ist, wenn sie sich näher kommen, gerieten sie Ineinander, sie vermischten sich.

Der erinnerungslose Tropfen wusste nicht wie ihm geschah: Chaos in ihm, Angst und Freude gleichzeitig, ein Ich, ein Du, ein Wir. Altes wie Neues erfüllten ihn und gaben ihm das Gefühl zu wachsen. Und als es ihn fast überforderte, gab sich der größere Tropfen wieder frei und war wieder er selbst. Bevor er seinen Weg fortsetzte, fragte der große den kleinen Wassertropfen: „Und? Weißt du es jetzt, wer du bist?“ Der kleine Wassertropfen war tief berührt von dem was Geschehen war und es fiel ihm auf, dass er gewachsen war. Mit einem Mal wurde ihm die Antwort geboren, die er auf seine Frage suchte.

Flüsternd sprach er in sein Innerstes hinein: „Ich habe mich seit ich die Erinnerung verloren habe gefragt woher ich komme, wohin mein Leben führt und wer ich eigentlich bin und jetzt habe ich es erlebt: Ich bin viel mehr als ich geglaubt habe!“

Geschrieben von Marco Kargl am 3. Mai 2015