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Jugendstress

Lisa eilte aus ihrem Zimmer, es gab schon wieder Zoff mit ihrem Vater und sie wollte das nicht länger ertragen. Ihre Mutter war noch auf der Arbeit. Also raffte Lisa ein paar Klamotten zusammen, packte ihren Rucksack und bewegte sich Richtung Sonnenallee. Direkt nach dem heftigen Streit mit ihrem Vater, telefonierte Lisa mit ihrer besten Freundin Sophie und die beiden verabredeten sich um 16 Uhr an der Bushaltestelle „Zum Buchbrunnen“. Lisa wählte diese Bushaltestelle als Treffpunkt, weil sie dort ungestört mit Sophie ihren Schlachtplan aushecken konnte, denn die Bushaltestelle lag nicht an der vielgefahrenen Buslinie 1 sondern die Station „Zum Buchbrunnen“ war eine Nebenstrecke, dort kam nur alle Stunde mal ein Bus vorbei. Da es direkt neben der kleinen Sitzecke an der Bushaltestelle einen schönen großen Brunnen gab, eignete sich dies hervorragend um mit Sophie den heißen Sommertag bei einer Dose Cola zu verbringen.

Lisa hatte es so satt, ihr Vater zoffte nur noch mit ihr rum und ihre Mutter war mehr auf der Arbeit als zu Hause. Ein Grund mehr endlich abzuhauen. Lisas Ziel war es, vom Bahnhof in ihrer Heimatstadt nach Luckenbach zu kommen, dort wohnt Manuel, ein interessanter Internetbekannter, den sie vor einer Weile in einem Chatroom kennenlernte. Sie war schon so mega aufgeregt, den Typ endlich in natura zu sehen.

Aber außer Lisa wußte noch niemand von der Aktion. Lisa möchte ihre Freundin Sophie überreden mit zu fahren, denn ganz alleine traute sie sich dann doch nicht. 16.05 Uhr, pünktlich erschien Sophie an der Bushaltestelle, sie setzte sich neben Lisa an den Brunnen.
Boah, war das wieder heiß heute. Nur gut, dass die alte Buche neben dem Brunnen ein bisschen Schatten spendete. Lisa war total aufgeregt, sie wollte Sophie schnell in ihren Plan einweihen. Sophie war zunächst entsetzt, warum in aller Welt will Lisa denn abhauen und dann noch zu dem Macker aus dem Internet. War denn die Situation in Lisas Elternhaus so unerträglich.

Überzeugt war Sophie nicht von Lisas Plan. Doch Lisa gab nicht auf und als endlich der Bus hielt, fuhr Sophie dann doch mit im Bus Richtung Stadtzentrum, dort war auch der Bahnhof. In einer halben Stunde ging der Zug in Richtung Luckenbach. Sophie mußte Lisa hoch und heilig versprechen, dass niemand von dieser Aktion erfährt, auch nicht Lisas Eltern.

Denn Sophie war absolut dagegen gewesen, geschweige denn bereit mitzufahren. Der Zug rollte in den Bahnhof und Lisa stieg ein. Sie schickte Manuel eine SMS, dass sie auf einen Spontantrip zu ihm unterwegs sei. Manuel freute sich echt riesig und antwortete: Ich treffe Dich um 19.00 Uhr beim Italiener „Romantico“, ein Restaurant nur 5 Minuten vom Bahnhof entfernt. Pestalozzistraße 11. Die Bahnfahrt nach Luckenbach war alles andere als angenehm.

Sophie rief ganz oft auf Handy an und versuchte Lisa zu überzeugen, die Aktion noch abzublasen. Aber Lisa hatte sich in den Kopf gesetzt nun tatsächlich abzuhauen.
Sie war es so satt zu Hause. Und Manuel war so ein süßer Typ, sie mußte ihn einfach persönlich kennenlernen. 18.42 Uhr, Bahnhof Luckenbach.

Lisa stieg aus dem Zug aus und verlies den Bahnhof. Die Pestalozzistraße war rasch gefunden und das ital. Restaurant „Romantico“ sah vielversprechend aus. Lisa war total aufgeregt und ehe sie sich versah, umarmte Manuel sie von hinten und hielt ihr ein Plüschtier vor die Nase.
Wie süß ist das denn. Das italienische Restaurant „Romantico“ machte seinem Namen alle Ehren.

Überall auf den Tischen brannten Kerzen und die Tischwäsche war farblich passend dazu abgestimmt. Rosen in ausgefallenen Vasen dienten als Blickfang. Einfach hübsch anzusehen. Manuel bestellte sich eine Pizza und Lisa wählte ein Nudelgericht. Es schmeckte sehr lecker.

Die Beiden quatschten bis Mitternacht und Lisa versuchte Manuel vorsichtig beizubringen, dass sie gerne ein paar Tage länger bei ihm bleiben möchte. Manuel war zwar nicht so begeistert von der Idee, willigte aber trotzdem ein, weil er die Nacht mit Lisa verbringen wollte. Doch dazu kam es erst gar nicht. Zuvor landeten Lisa und Manuel noch in der kleinen Cocktailbar „Miamar“.
Manuel füllte sie regelrecht ab mit all den süffigen Cocktails und Lisa war kaum mehr fähig aufrecht zu gehen. So sturzbesoffen schwankte Lisa mit Manuel zu dessen Wohnung in die Maintalstraße.

Dort kamen sie aber nie an, denn eine aufmerksame Polizeistreife entdeckte das schwankende Pärchen und verlangte erst mal die Personalien. Lisa fischte verzweifelt in ihrem Rucksack nach dem Dokument und dabei rutschte ihre Geldbörse raus, darin befand sich nur ihr Schülerausweis. In sekundenbruchteil war den Beamten klar, Lisa war noch keine 18.

Das hatte zur Folge, dass Lisa erst mal mit zur Polizeiwache kam. Die Polizisten verständigten Lisas Eltern, die machten sich direkt auf den Weg nach Luckenbach. Lisa verbrachte die Zeit bis zum Eintreffen der Eltern in der Ausnüchterungszelle der Polizeiwache.

Lisas Vater lies wieder einen Schwall der Beschimpfungen über sie ergehen, als die Familie sich auf den Heimweg machten. Sie durfte sich anhören, dass sie nur Ärger macht. In der Schule eine Niete sei und wo sie diesen hirnamputierten Manuel aufgegabelt hätte. Da Lisa noch so benebelt vom Alkohol war, drangen die Sätze ihrer Eltern nur als Wortfetzen zu ihr.

Soviel bekam sie noch mit, dass sich ihre Eltern wieder ohne Ende zofften. Lisas Mutter warf ihrem Mann vor, dass er ständig nur besoffen in der Ecke liegt, zu faul zum Arbeiten ist und Haushalt und ganz besonders Lisa total vernachlässigt.

Das hörte sich Lisas Vater nicht lange an, dann brach der Zorn in ihm durch und er attackierte Lisas Mutter mit einem Wortschwall und wurde selbst im Auto handgreiflich. Er warf seiner Frau vor, dass sie nie Zeit hätte, ständig auf der Arbeit hängt und es kein Familienleben mehr gäbe.
Lisas Mutter konterte, dass sie ja immerhin alleine die Brötchen verdienen müsste und seine Sauferei ne Stange Geld kostet. Dieser Schlagabtausch ging so lange bis sie alle zu Hause eintrafen.

Lisa wollte nur noch schlafen und endlich diese Kopfschmerzen los werden. Nachdem Lisa sich zwei Aspirin genehmigte und eine Mütze voll Schlaf gönnte, kam sie 4 Stunden später in die Küche. Da tagte schon der Familienrat, man wartete bereits auf sie.

Lisa hatte definitiv kein Bock auf endlos lange Diskussionen und sprach aus, was schon so lange auf ihrem Herzen lag. Sie wünscht sich so sehr, dass sie wieder wie früher eine intakte Familie sind. Ihr Vater sollte wirklich mal in Erwägung ziehen, eine Suchtberatung aufzusuchen, wo er Hilfe erhalten wird. Immerhin würde seine Sauferei die ganze Familie belasten und ein stückweit ruinieren.

Es wäre ja kaum mehr auszuhalten. Lisa wünschte sich von ihrer Mutter, dass sie auch mal an die Familie denke. Es gäbe noch etwas anderes als Arbeit.
Von allen Seiten hagelte es Kommentare … es ist und war wie immer.

Geschrieben von Sibylle Wild am 2. Februar 2015