n/a

Des Teufels Schreiber -1-

Es ist ein warmer Spätnachmittag, ich sitze draußen vor einem Cafe und sehe mich um. Alle Tische sind, wenn auch nur mit ein bis zwei Personen besetzt. Ich kannte mal einen Ostwestfalen, der erzählte mir, dass man sich dort niemals zu jemanden an den Tisch setzt. Das Lokal ist dann eben besetzt, so wie dieses hier. Ich schlug meine mitgebrachte Zeitung auf und studierte die Stellenanzeigen. Junior Verkäufer waren sehr gefragt. Ich dachte darüber nach, ob ich mich jenseits der 50 noch als Junior Verkäufer bewerben darf. Da fühlst Du Dich irgendwie verarscht, ebenso gut könnte ich als Einarmiger einen Second-Hand Shop eröffnen. Plötzlich hörte ich neben mir eine Stimme. Jemand fragt mich, ob Er sich zu mir setzen darf. Ehe ich Nein sagen konnte, saß Er mir schon gegenüber. Ich war mir sicher, dass er kein Ostwestfale war. Er streckte mir seine Hand quer über den kleinen Tisch und stellte sich mit Teufel vor.

Ich nannte freundlich meinen Namen und warf einen verstohlenen Blick unter den Tisch. Teufel schien meine Gedanken zu ahnen, er wackelte vergnügt mit den Füssen, grinste und sagte: Prada! Ich hatte gerade das gleiche Gefühl, wie bei dem Junior- Verkäufern. Teufel war sehr gesprächig. Nachdem Er ein großes Bier bestellt hatte, erzählte Er mir, dass Er lange nicht mehr hier war. Was immer „Lange“ für Ihn war. Als Er seinen Halben bekam, nahm er ihn in die Hand und hielt ihn auf Augenhöhe, als suchte Er irgendwas darin. Dann trank Er es mit einem Zug aus und bestellte einen neuen.

Teufel erzählte mir, dass Er lange keinen Alkohol getrunken habe, dass letzte mal war es in Prag. Einer seiner Mitarbeiter hätte dort Mist gebaut und Er sei dann flugs dorthin, um zu retten, was zu retten war. Aber das Kind war quasi schon in den Brunnen gefallen, oder richtiger formuliert, ein paar Menschen aus dem Fenster. Daraufhin sei Er in eine Wirtschaft gegangen um sich bis zur Unkenntlichkeit zu betrinken. Ich konnte das gut verstehen, wenn Du so einen Scheiß Tag hattest, ist es legitim, sich mal ordentlich einen hinter die Binde zu kippen. Als Er wieder zu sich kam, saß Er festgebunden an einem Pfahl, der sich mitten in einem großen Misthaufen befand. Damals eine ganz normale Strafe für Zechprellerei. Ich konnte mich auch heute noch mit derartigen Präventivmaßnahmen gut anfreunden.

Allerdings beunruhigte es mich ein wenig, dass Er es so erzählte, als wenn Er es tatsächlich erlebt hat. Teufel leerte seinen zweites Bier zur Hälfte, die Geschichte schien Ihn immer noch mitzunehmen. Ich beruhigte Ihn, indem ich Ihm sagte, dass solcherart Selbstjustiz heute leider verboten sei und das im Umkreis von 2 KM kein Misthaufen zu finden ist. Außerdem sei längst Grass über die Sache gewachsen. Im Gedanken sah ich unseren Marktplatz, vor jeder Kneipe ein Misthaufen mit Pfahl. Ich musste grinsen, weil mir spontan ein halbes Dutzend Menschen einfielen, die ich gerne dort sehen würde.

Er trank das Bier in zwei Zügen aus und bestellte ein Drittes. Teufel erzählte weiter. Seit dem Vorfall habe Er sich zurückgezogen, aber jetzt brauche Er dringend neue Mitarbeiter und die seinen schwer zu finden. Ó Rainer Sievert Dabei trank Er sein Bier in drei Zügen aus und verabschiedete sich so plötzlich, wie er gekommen war. Vorher fragte Er mich noch, ob ich seine Zeche übernehmen kann, Er habe kein Geld. Ja, dachte ich, so wie damals in Prag. Er stand auf, bedankte sich für Bier und Gespräch und versprach mir, wieder vorbeizuschauen.

Nach ein paar Sekunden blickte ich in seine Richtung, aber es war nichts mehr zu sehen von Teufel. Ich blieb noch ein paar Minuten sitzen und dachte, dass wohl jeder von uns den Teufel in sich hat. Mehr oder weniger. Seit heute habe ich meinen eigenen Misthaufen mit Pfahl, wenn auch nicht direkt vor meiner Haustür. Eine Bewerbung brauchte ich Teufel sicher nicht schicken. Ich stand auf und ging. Ó Rainer Sievert

Geschrieben von Rainer Sievert am 10. August 2015