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Begegnungen

Als er die Eisdiele betrat, erschrak ich etwas und spürte auch gleich eine gewisse Abneigung gegen den Mann. Wäre ich ihm nachts in einer dunklen Straße oder in einem Park begegnet, hätte ich wahrscheinlich panisch reagiert. Er war groß und schlank, hatte dunkle Haare, die bis zur Schulter reichten und sein Gesicht wirkte insgesamt dunkel, da er einen Bart trug.Das Auffälligste war seine schwarze Kleidung, schwarze Jeans, dunkles T-Shirt und darüber hatte er eine Lederweste mit verschiedenen Metallverzierungen und Nieten an. Mir fiel auch sofort auf, dass er anscheinend etwas zuviel getrunken hatte, obwohl er nicht schwankte oder lallte. In der Eisdiele musste er Stammgast und recht bekannt sein, denn so wurde er begrüßt. Er setzte sich an einen einzelnen Tisch links neben uns und sprach in lockerem, freundlichen Ton mit der Bedienung. Sie orderte auch sofort – ohne seine Aufforderung – ein Weizenbier für ihn. Zu meiner Überraschung bat er sie um die Tageszeitung, die für alle Gäste als Service an der Garderobe hing. Mit einem Lachen legte die Italienerin die Zeitung auf den Tisch des dunklen Mannes.
Als er dann begann das Bildersuchrätsel auf der Rückseite der Zeitung zu lösen, war ich völlig perplex. Meine Vorurteile nach dem ersten Eindruck des Mannes auf mich beschämten mich in diesem Moment. Wie ein verspieltes Kind begann er mit Hingabe nach den Fehlern bei dem Rätsel zu suchen. Ich konnte seine Freude dabei wirklich sehen. Als er alle 10 Fehler gefunden hatte, rief er der Bedienung zu, dass er heute fast zwei Minuten gebraucht hatte. Seine Bestzeit musste auf jeden Fall weit darunter liegen.

Die Freude und eine Art von Zufriedenheit merkte ich ihm auch dabei an. Als wir bezahlten war eine lockere angenehme Stimmung im Raum, der Mann unterhielt sich mit der Italienerin und trank sein Bier. Wir verabschiedeten uns und wünschten noch einen schönen Abend. Auch der dunkle Mann lächelte uns freundlich zu und wünschte uns noch alles Gute für diesen Abend. Wenn ich jetzt daran denke, spüre ich noch die Wärme und Herzlichkeit dabei, denn er meinte es wirklich so.

Geschrieben von Winter am 8. August 2013