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Der leere Zug

Sie kannte ihn schon lange. Sein Aussehen, seine Hobbies und Vorlieben, sie wusste alles was sie wissen musste um ihn endlich kennenzulernen. Auf solch einen Moment wartete sie schon vom ersten Wort an, vom erst virtuellen „Hallo“ und „gute Nacht“, auf die Herzchen hatten sie nie verzichtet. Es ist völlig normal in diesem Zeitalter jemanden nicht durch Briefe oder physischen Begegnungen kennenzulernen. Es war 20 Uhr, sie saß am Bett und ließ ihre nassen Schwarzen Haare trocknen.
Sie ist anders, sie liebt kalte Duschen am Abend, so meinte sie, würde sie sich im Bett schneller aufwärmen, ihre Haare föhnte sie nie, sie war der Meinung sie würden ihre Kraft verlieren, denn sie war ein natürlicher Mensch, das hatte sie von ihrer ebenfalls bildschönen Mutter.

Sie liebte ihre Mutter, aber sie war rebellisch, sie liebte es zu provozieren, es war eine ihrer Lieblingsaktivitäten und einer der Charaktereigenschaften, bei denen sie sich nicht von anderen jungen Erwachsenen unterschieden ließ.

Sie hoffte, er würde es wegstecken können, aber wenn nicht, würde sie es nicht machen, denn sie mochte ihn zu sehr. Sie griff zum Schminkkasten und kniete sich auf dem Hocker, als wäre ihr Schränkchen ein Altar, sonst hing der Spiegel zu tief, denn sie war ein großes Mädchen. Sie hatte keinen Zweifel daran, er sei der richtige gewesen, und auch wenn nicht, dann wäre es ihr egal gewesen, sie war immer offen um neue Dinge auszuprobieren.

Sie musste sich jetzt auf den Weg machen. sie wollte doch nicht zu spät kommen. Sie zog sich also an und marschierte richtung Bahnhof. Schritt für Schritt wurde sie immer schneller.
Sein Zug war schon agekommen, damit hatte sie nicht gerechnet.
Sie setzte sich auf eine leere Bank. Sie wartete. Er kam nie.

Geschrieben von Martin am 5. Februar 2015