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Das Kürschnerverbrechen

Eine schonungslose Erzählung der Tatsache entsprechend. Mitte August im Jahre 2002 ist Irina mit dem Velo unterwegs in der kleinen, vornehmen, reichen Stadt, in der sie wohnt. Im Korb auf dem Gepäcksträger, in einer grünen Stofftasche liegt zusammengerollt ihr wertvoller Wildnerzmantel. Der Himmel ist fast wolkenlos, es wird ein heisser Tag, am Morgen aber ist es schon herbstlich kühl. Sie kann sich nicht zu sommerlich anziehen und entscheidet sich für das aprikosenfarbene Kostüm. Im knielangen, engen Rock konnte sie hinten den Schlitz so weit verlängern, dass es sich damit trampen lässt. Das Kleidungsstück sieht schon etwas abgetragen aus, aber sie liebt es und kann sich noch nicht davon trennen. Die schwarze Seidenbluse passt sehr gut dazu. Sie hat ihre neuen, schwarzen, eleganten Schuhe an und denkt, hoffentlich werden sie gesehen. Denn da wo sie eintrifft, müsste sie eigentlich in feinster Kleidung erscheinen, möglichst schmuckbehangen und mit gestilter Frisur.

Beides hasst Irina förmlich, nur nicht puppenhaft aussehen, auf keinen Fall behangen sein wie ein Christbaum. Sie hat ihr hellbraunes Haar hinauf gesteckt und die zarte, dünne, goldene Halskette umgehängt. Vornehmes spricht sie an, für Qualität ist sie zu haben, da kann sie schwach werden und sich etwas leisten, das ihrem Stand gar nicht entspricht, eben einen Wildnerzmantel; schwer reich ist Irina nicht, sie hat nur etwas Vermögen.
Das gute Stück ist seit 12 Jahren in ihrem Besitz. Sie hatte es damals einem Kürschner im Quartier, der sich im Pensionsalter befand und dabei war langsam sein Geschäft aufzulösen, abgekauft. Irina suchte ihn nicht auf um bei ihm einen Pelzmantel zu kaufen, schon gar nicht einen Wildnerz, nicht im Traum dachte sie daran, wusste sie doch die gehören zu den ganz kostbaren Pelzen und sind der gehobenen Klasse vorbehalten.

Die Idee aus der altmodischen Fuchspelzmütze ein Pelzband zu machen, brachte sie zu diesem Kürschner. Sie sah beim Skifahren, dass es sich schick macht. Der zwanzig Jahre alte Pelz ihrer Mütze war noch in bestem Zustand und mit seiner Hilfe kam sie zu einem solchen Band. Es leistet ihr immernoch jedes Jahr gute Dienste und bereitet ihr Freude.
Irina ist Rheumatikerin und braucht viel Wärme, sie friert sehr schnell. Es gibt ausser den Moonboots keine Schuhe die ihre Füsse warm halten und selbst gefütterte Lederhandschuhe nützen nur sehr wenig; kalte, nasse, durchdringende Nebel setzen ihr besonders zu. 1990 war diesbezüglich ein besonders schlimmer Winter und so hielt sie Ausschau nach einem warmen Mantel. Etwas aus Lammfell stellte sie sich vor, dafür ging sie von einem Modehaus ins andere. Ihre Körpergrösse liegt ein wenig unter dem Durchschnitt, was es ihr nicht leicht macht ein gut sitzendes Kleidungsstück ab Stange zu kaufen. Der Wildnerz beim Kürschner fiel ihr sofort auf, sie fand ihn wunderschön.

Pelz war für sie von Kindheit an immer etwas Edles, Kostbares, etwas das sie bewunderte. Der Mantel hatte gerade die rechte Länge, zehn Zentimeter über dem Knöchel und auch die einfache, klassische Machart gefiel ihr. Jedoch konnte er so wie er war nicht getragen werden, der Ärmel war zu eng. Er würde Pelz dazu kaufen und ihn ihr anpassen, sagte der Kürschner, der Preis für alles zusammen entsprach einem günstigen Einkauf. Es schien ihr eine gute Gelegenheit, sich für Lebzeiten mit einem warmen Mantel einzudecken. Nachdem sie noch eine alte Frau, eine ihr bekannte Kürschnerin, aufgesucht hatte, um Entscheidungshilfe zu bekommen und diese ihr sehr dazu riet, kaufte sie ihn.

Geschrieben von tobi am 8. August 2013