Elfenunfall
Sie stand in der Küche und blickte hinaus in den Garten. „Immer noch viel zu kahl alles. Nix wächst hier richtig,“ dachte sie verdrossen. In Gedanken listete Sie auf, was Sie schon alles getan und probiert hatte um diesen Garten zu Ihrem Traumgarten zu machen. Selbst der teure Gartenbauarchitekt hatte letztlich kapituliert. Seufzend stellte Sie Ihre Tasse ab, als plötzlich etwas Buntes durch Ihr Blickfeld flog. Und in die Hecke stürzte.
Sie lief zur Tür. Schlüpfte in Ihre Gartenschuhe.
Ein verletzter Vogel? Hmm, zu bunt. Und hatte es nicht irgendwie geleuchtet?
Kurz vor der Hecke stoppte Ihr Schritt. Da glitzerte oder leuchtete etwas zwischen den Zweigen. Neugier und Angst hatten einen Disput in Ihrem Kopf. Ob es gefährlich war? Giftig zum Beispiel. Oder ein Spielzeug? Weit und breit keine Kinder hier draußen. Die Neugier siegte.
Sie bog die Zweige zur Seite. Beißender Geruch. Sie mußte niesen. Rosen, es war Rosenduft. Es roch nach einer Tonne Rosenkonzentrat.
‘Puuh, daß das so stinken kann‘. Sie wich zurück.
Und dann sah Sie es.
Ein winziges Wesen hing unelegant im Thujagrün. Es hatte Flügel. Es leuchtete. Ihr einziger Gedanke: ‘Kein Vogel‘.
Sie starrten sich an. Minutenlang. Völlig bewegungslos.
“ Was willst Du ? “ fauchte das Wesen plötzlich.
“ Äääh, äääh….“, stammelte Julia. “ Äääh, äääh…“, äffte die Elfe sie nach. „Bist Du bescheuert, oder was?“. Die Empörung löste Julia die Zunge. „Na also so was, ich dachte, da ist was passiert und wollte helfen und was finde ich? Ein stinkendes Rieseninsekt, das mich mich ankeift. Hilf Dir doch selbst.“ Wütend drehte sie sich um und rauschte davon. ‘Mein Gott, eine Elfe, das muß eine Elfe sein’.
Sie kehrte um. Die Kleine zerrte an einem Zweig, der sie offensichtlich gefangenhielt. Julia musterte das Geschehen eine Weile. „Komm, ich helf Dir“, sagte Sie schließlich. Schweigend ließ die Elfe sich befreien. Julia fiel auf, daß diese jetzt schwächer leuchtete. ‘Vielleicht leuchten Sie, wenn Sie Stress haben?’, dachte Julia. „Nein, es ist weil ich Kraft verliere. Wir leuchten, wenn`s uns gut geht.“ Die Elfe klang kleinlaut jetzt. „Ich habe mich verflogen. Ich weiß nicht wo ich bin. Ich habe Kopfschmerzen und Hunger und mein Herz tut weh. Alles ist schrecklich. Buhuuhuuhuu“, schluchzte Sie plötzlich. Ein Häufchen Elend mit zerknitterten Flügeln. Das Weinen war so herzzerreißend, daß Julia ebenfalls die Tränen in die Augen schoßen. Spontan nahm Sie die Elfe auf Ihre Hand. “ Ich bring Dich in`s Haus. Uns fällt schon was ein. Ich mache uns Tee und wir reden. Wein doch nicht so, bitte“. Auch ihre Stimme klang jetzt nach Schluchzen. Zittrig lief Sie in`s Haus. ‘Ob Elfen überhaupt Tee trinken?’. Julias Gedanken wirbelten. „Tee wäre toll“, krächzte die Elfe. Julia erstarrte. „Ja, wir können Gedanken lesen. Ist aber unhöflich. Eigentlich. Aber grade ist eh schon alles egal“. ‘Diesen Ton kenne ich doch’, dachte Julia verblüfft. „Sag mal bist Du verliebt? Unglücklich verliebt, meine ich.“ „Ach was“ schnaubte die Elfe. „Mir geht es nicht gut, weil die verdammten Gnome irgendwas Fieses in Ihren Rosenpunsch gemischt haben. Und irgendwann haben wir Sturzflüge zwischen den Dornenranken gemacht. Das übliche halt. Nur war da dieser Typ und er hat mich herausgefordert und na ja, ist auch egal. Jedenfalls waren wir irgendwann nackt und allein und er roch gut und…. Und als ich heute Morgen, äh, na, als ich eben aufwachte, da lag er neben mir. Und er roch immer noch so gut. Und da habe ich Ihn geküßt. Aber er, er hat mich Lily genannt und ist wieder eingeschlafen. Dieses Schwein. Dabei heiße ich Willow. Und schließlich haben wir doch, haben wir… na Du weißt schon…“
„Aha“, sagte Julia, „deswegen. Scheint ja wohl überall gleich zu sein mit den Männern“. ‘Na immerhin weiß ich jetzt, woher dieser Geruch kommt. Sie stinkt nach Alkohol. Also wirklich. Soviel zum Thema niedliche Elfen‘, dachte Julia.
„Nein, ist es nicht. Es ist ganz anders“, antwortet die Elfe beleidigt, „schließlich sind wir Elfen. Nicht Menschen. Und außerdem stinken wir nie, im Gegensatz zu Menschen“. Sie versuchte das Handtuch in das Julia Sie gehüllt hatte abzu-schütteln, verhedderte sich aber und gab nach kurzem Kampf auf.
„Ist der Tee bald fertig?“ raunzte Sie, in dem Versuch wenigstens einen Rest Würde zurückzugewinnen. ‘Erinnert mich irgendwie an Melly‘. Julia mußte grinsen.
Melly war Julias kleine Schwester. Die konnte ein richtiger Besen sein, wenn Sie sich schwach und verletzlich fühlte. ‘Letztlich auch nur wie ein Kätzchen, daß sich aufplustert um größer zu wirken. Kennt man ja -’.
Sie drehte sich um, den Tee in der Hand. Die Elfe war verschwunden. Oder nein, Sie war noch da, aber Sie leuchtete fast gar nicht mehr. Hastig stellte Sie die Kanne ab. „Was ist los? Was hast Du? Bitte sag was – „
Die Elfe sah ganz grau aus jetzt. „Mir ist sooo schlecht“ stöhnte diese. Dann sackte Sie in sich zusammen. ‘Sie ist ohnmächtig geworden‘ dachte Julia, mehr verblüfft, als erschrocken. ‘Was soll ich jetzt machen‘? Und dann hatte sie die rettende Idee.
Von da an brauchte Julia keinen Gartenbauarchitekten mehr. Und die Elfen wendeten den Bloody Mary – Zauber an. Jedenfalls hin und wieder.