n/a

Welten

Es ist schon eine Ewigkeit her, praktisch schon ein Jahrhundert, das sich so oft wiederholen musste, dass der Vater der Zeit sich nicht mehr daran erinnern kann, wie viele Unterschiede er schon auf der Welt gesehen hatte.

Hin und wieder allerdings vollbrachte er es, seine Erinnerungen soweit zusammenzufaßen, dass kleine Geschichten entstanden, mit deren Hilfe er sich die alten Bilder der Vergangenheit ins Gedächtnis zurückrief. Seine liebste Geschichte handelte von einem stolzen und ehrbarem Mann. Dieser Mann erschien jedem auf Anhieb anders. Er war ein Einsiedler und lebte allein in einem alten Wald, auf den Hügeln, die bei der Bevölkerung als verwunschen galten. Dort wohnte er in einem kleinem staubigem Häuschen, unter einem Felsvorsprung, an dem sich die Wassertropfen vom Fluß über ihm in der Unendlichkeit des Morgennebels zu verlieren drohten. Jeder der ihn kannte, wusste, dass er alles andere als schwach und hilflos war.Er hatte einen eisernen Willen, sowie ein großes Herz, Stolz, Ehre und vor allem fürchtete er nichts und niemanden, selbst den Tod nicht. Und so kam es, dass man sich immer gern mit ihm unterhielt,zumal er immer weisen Rat erteilte. Der alte Mann wanderte jeden Tag mit seinem Weidenzweig in der Hand durch den Wald. An diesem Tag regnete es, der Himmel trauerte und der alte Mann wusste warum. Wieder einmal war die Zeit vorangeschritten und so verblaßte die Erinnerung an fröhliche Tage und die Realität drang unerbittlich auf ihn zurück. Das Böse zwischen Mensch und Mensch flammte erneut auf und so war die Wahrheit nicht zu verkennen und er erkannte, dass wieder ein Krieg herangereift war, der fünfte nach langer Zeit des friedlichen Lebens. Er verrachtete Gier und Hass, doch konnte er nichts gegen sie tun, solange der Mensch nicht freiwillig darauf verzichtete. Er rieb sich die Stirn mit dem Weidenzweig, stolperte Schritt für Schritt forwärts, zu einer alten Weide, die an einem kleinem Bach in den Himmel hinaufragte. Zum ersten mal merkte er das es heiß war sogar so heiß, das die Luft drückend und unruhig über ihm Lag, wie ein undurchdringlicher Dunstschleier. Er lehnte sich an die Weide, sie war schon immer da gewesen, ein Freund aus alten Tagen nie böse nur friedlich und stumm. Er liebte sie so wie er die Welt liebte. Er sank zu Boden, müde vom ständigem Sorgen über die Menschheit. Die Augen wurden schwerer, tiefer wurde es, dunkel, er schlief! Der Regen folterte den Boden mit ständigem Trommeln, die Bäume biegten sich unter der Last des Wassers. es war soweit, endlich würde es Enden. Endlich würde die Sorge ein Ende haben. Der alte Mann verschwand im Regenschleier und mit ihm die Bäume, der Boden und das kleine Haus unter dem Felsvorsprung. Die Flut kam, der Krieg war vorbei der Frieden zurück.
Vater Zeit öffnete die Augen. Die Erinnerung hatte ihn aufgeweckt, oder war es die Wahrheit gewesen? Er wusste es nicht mehr. Er schaute sich gründlich um, wie war die Zeit heute? Er musste sich beeilen, der Besuch eines alten Freundes wurde erwartet, fortwährend blieb die Zeit nicht stehen. Es klopfte, Vater Zeit öffnete, lächelte in ein kleines von der Sorge befreites Gesicht, das ihn mit einem blick die Antwort auf seine Frage schenkte…

Geschrieben von Karl am 8. Juni 2012